Textversion Bürgergeldbezug und Arbeitslosigkeit
Warum sind nicht alle Bürgergeldbeziehenden (langzeit-)arbeitslos?
Häufig hört oder liest man, dass Personen, die Bürgergeld erhalten, arbeitslos oder sogar langzeitarbeitslos seien. Manchmal werden Bürgergeldbeziehende und Langzeitarbeitslose auch gleichgesetzt.
In diesem Video erläutern wir, warum das nicht zutrifft.
Bürgergeld erhält, wer erwerbsfähig ist und den Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen decken kann. Dazu muss man nicht arbeitslos sein. Beides hängt aber zusammen, weil den meisten Menschen ohne Erwerbsarbeit eine wichtige Einkommensquelle fehlt, um das Existenzminimum zu decken.
Schauen wir uns einmal genauer an, welche Lebenslagen das sind.
Zum Beispiel bei Frau Berg. Sie ist alleinerziehend und ihre beiden Kinder leben bei ihr. Sophia ist 16 Jahre alt und Noah 13. Sie wohnen zusammen und erhalten alle Bürgergeld. Frau Berg arbeitet 25 Stunden pro Woche in einem Schnellrestaurant. Damit ist sie nicht arbeitslos, weil sie mehr als 15 Stunden pro Woche erwerbstätig ist. Sie verdient aber nicht genug, um das Existenzminimum für sich und ihre Kinder zu decken, und hat somit Anspruch auf Bürgergeld. Sie ist damit eine "erwerbsfähige Leistungsberechtigte".
Auch Sophia zählt mit ihren 16 Jahren bereits dazu, und das Jobcenter würde sie normalerweise in die Vermittlung einbeziehen, weil sie älter als 14 Jahre ist. Da sie aber zur Schule geht, muss sie noch keine Arbeit suchen und ist damit auch nicht arbeitslos. Beide sind also Bürgergeldbeziehende, aber nicht arbeitslos.
Alle erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sind grundsätzlich verpflichtet, durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit den Bezug von Bürgergeld zu beenden oder zu reduzieren. Der Gesetzgeber hat allerdings wichtige Gründe benannt, bei denen das nicht der Fall ist.
Schüler und Schülerinnen wie Sophia, Studierende oder Auszubildende erwerben erst noch eine Qualifikation, um einen Beruf ausüben zu können. Damit steigen die Chancen, zukünftig nicht mehr auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Daher sind sie von der Pflicht zur Arbeitsaufnahme ausgenommen.
Auch Erziehende sind davon befreit, solange das jüngste Kind noch keine drei Jahre alt ist. Eine dritte Ausnahme sind Personen, die Angehörige pflegen.
Wenn nicht alle erwerbsfähigen Leistungsberechtigten arbeitslos sind, wie viele Personen finden sich nun in diesen Ausnahme-Gruppen? Fünfzehn bis 20% der Bürgergeldbeziehenden sind erwerbstätig. Sie sind beschäftigt, aber mit ihrem Einkommen können sie den Lebensunterhalt nicht sichern. Das kann aus verschiedenen Gründen der Fall sein. Viele von ihnen arbeiten in Teilzeit wie Frau Berg oder leben in einer Bedarfsgemeinschaft mit mehreren Angehörigen. Auch eine hohe Miete kann der Grund sein.
Etwas weniger als zehn Prozent gehen zur Schule wie Sophia, studieren oder absolvieren eine Berufsausbildung.
Rund ein Fünftel machen Personen aus, die Kinder erziehen oder Angehörige pflegen. Sie werden in der Kategorie Nichterwerbstätigkeit zusammengefasst. Dazu gehören auch Bürgergeldbezieherinnen und Bürgergeldbezieher, die über längere Zeit krank sind.
Darüber hinaus zählen auch Personen nicht als arbeitslos, die an einer Fördermaßnahme teilnehmen. Deutsch- oder Integrationskurse und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wie zum Beispiel Umschulungen gehören ebenfalls dazu. Rund 10% der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten absolvieren eine Fördermaßnahme.
Etwa vierzig Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sind arbeitslos. Sie haben zurzeit keine Arbeit oder arbeiten weniger als 15 Stunden pro Woche, suchen eine Arbeit und können auch kurzfristig eine Stelle antreten.
Diese sind nicht unbedingt langzeitarbeitslos. Dazu zählt nur, wer länger als ein Jahr arbeitslos ist. Tatsächlich trifft das nur auf knapp die Hälfte der arbeitslosen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zu. Das liegt daran, dass der Anspruch auf Bürgergeld und die Arbeitslosigkeit unabhängig voneinander sind und zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen können. Dazu einige Beispiele:
Frau Berg hat einige Zeit später ihre Stelle im Schnellrestaurant verloren. Sie hatte ja schon während der Beschäftigung Bürgergeld erhalten. Ihre Arbeitslosigkeit beginnt dann erst zu dem Zeitpunkt, ab dem sie nicht mehr im Schnellrestaurant beschäftigt ist. Die Zeitpunkte von Beginn des Leistungsbezugs und der Arbeitslosigkeit fallen also auseinander.
Ähnlich ist es bei Frau Falk. Sie ist alleinerziehend und nach der Trennung von ihrem Partner auf Bürgergeld angewiesen. Ihre jüngste Tochter ist zwei Jahre alt und wird von ihr betreut. Deshalb muss Frau Falk zunächst keine Beschäftigung aufnehmen und zählt auch nicht als arbeitslos. Das wird sie erst, wenn ihre Tochter drei Jahre alt wird und sie bis dahin keine Stelle gefunden hat. Sie wird also ebenfalls erst nach einiger Zeit des Bürgergeldbezugs arbeitslos.
Anders bei Herrn Bode: Er wurde entlassen und hat 15 Monate lang Arbeitslosengeld erhalten. In dieser Zeit konnte er keine neue Beschäftigung finden und war arbeitslos. Seitdem sein Arbeitslosengeldanspruch ausgelaufen ist, bezieht er Bürgergeld. Obwohl der Bürgergeldbezug erst begonnen hat, gilt er bereits als langzeitarbeitslos, weil die vorhergehenden Arbeitslosigkeitszeiten ebenfalls berücksichtigt werden.
Sie sehen: Es gibt zwar Zusammenhänge zwischen Arbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit auf der einen Seite und Bürgergeldbezug auf der anderen Seite. Aber das Eine bedeutet nicht automatisch das Andere.